Selbstverteidigung ist und kann, für jeden ein Thema werden, ungeachtet dessen, ob er sich der Tatsache bewusst ist oder nicht, oder die Problematik verdrängt. So ist es besser, sich im Vorfeld mit dem möglichen Eintritt einer Notwehrsituation zu beschäftigen und die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Der mit Abstand wichtigste Aspekt, um sicherer durchs Leben zu kommen, ist dabei ein überlegtes, angepasstes Verhalten im Alltag.

Selbstverteidigung beginnt mit dem Vermeiden unnötiger, potenziell gefährlicher Situationen und einem entsprechenden Verhaltenstraining, um diesen möglicherweise noch entkommen zu können. Kampf stellt das allerletzte Mittel dar und ist immer mit Risiken, für Leib und Leben und juristischen Problemen verbunden.

Das Notwehrrecht erlaubt es dem bedrohten Bürger, sich in letzter Konsequenz, gegen einen rechtswidrigen Angriff, körperlich zur Wehr zu setzen, wenn es, um Leib, Leben, und um andere juristisch formuliert, sogenannte notwehrfähige Rechtsgüter, geht.

Selbstverteidigung - Frau wehrt Schlag ab

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In diesem Beitrag sehen wir uns die wesentlichen Aspekte des Themas Selbstverteidigung an. Beginnend mit der Reduktion persönlicher Risiken und einem sinnvollen, juristisch bestmöglich vertretbaren Verhalten in Notwehrsituationen.

Wesentliche Aspekte der Selbstverteidigung

Wie eingangs erwähnt, beginnt die eigentliche „Selbstverteidigung“, schon lange vor Eintritt einer Notwehrsituation. Wer das Thema unter dem Gesichtspunkt, ganzheitlich betrachtet, kann mit wenig Aufwand seine persönliche Sicherheit entscheidend verbessern.

Zu einem Selbstverteidigungskonzept gehören, Gefahrenvermeidung im Alltag, Achtsamkeit – was spielt sich in meiner Umgebung gerade ab – und Verhaltensstrategien, um sich gefährlichen Situationen zu entziehen. Kampf ist das allerletzte Mittel.

 

Angepasstes Alltagsverhalten

Vielen Menschen sind die potenziellen Gefahren und Bedrohungen, denen sie sich in ihrem Alltag aussetzen, zu wenig bewusst. Oft werden aus Gewohnheit und Bequemlichkeit, unnötige Sicherheitsrisiken eingegangen.

Hier kann es durchaus sinnvoll sein zu hinterfragen, ob es sich in manchen Fällen nicht doch lohnen würde, einen Umweg zu nehmen, bzw. die Wahl der Wege und Verkehrsmittel, an die Uhrzeit und mögliche Gefahren anzupassen.

Beispiele:

  • Alltägliche Wege zu analysieren und gegebenenfalls abzuändern.
  • Spät abends ein Taxi, statt eines öffentlichen Verkehrsmittels zu nehmen.
  • Die Abkürzung durch den Park oder Unterführung nicht zu nehmen.
  • Gewisse Lokale nicht zu besuchen.
  • Zu Hause zu feiern, anstatt abends auszugehen.
  • Manche Freundschaften und Bekanntschaften nicht mehr weiterzuführen.
  • Auf die eigene Kleidung und Körpersprache zu achten, um nicht als „Opfer“ ausgesucht zu werden.
  • Nichts tun, um besonders aufzufallen. (Gray Man Theorie)

Leider, werden diesbezügliche Sicherheitstipps und Konzepte vielfach unterschätzt und als trivial abgetan. Man wolle ja nicht paranoid werden oder sich gar in seinem persönlichen Freiraum einschränken lassen, indem man gewisse lieb gewordene Gewohnheiten, hinterfragt.

Das ist verständlich. Für einige Menschen hatte, die mangelnde Bereitschaft zur Verhaltensänderung, ein vorzeitiges, unnatürliches Ableben zur Folge. Das sollte man sich, dann auch bewusst machen!

Achtsamkeit im Alltag – Situational Awareness

Wer offenen Auges, durch die Welt geht, lebt sicherer. Der starre Blick aufs Smartphone, die Kopfhörer im Ohr, hindern dich daran, deine Umwelt bewusst wahrzunehmen. Du wirst mit großer Wahrscheinlichkeit, ungewöhnliches Verhalten und potenzielle Bedrohungen in deiner Umgebung nicht rechtzeitig wahrnehmen.

Sicherheitskräfte in aller Welt verwenden den Cooper Farbcode, um ihre Aufmerksamkeit ganz gezielt der jeweiligen Umgebung anzupassen. Für den öffentlichen Raum gilt hier meist die Farbe „Gelb“. Sie steht für entspannte Aufmerksamkeit (Situational Awareness).

Mögliche Bedrohungen sind nicht zu erwarten, aber auch nicht ganz auszuschließen.

Abhängig von der Tageszeit und der Umgebung ändert sich auch die Bedrohungslage und damit die nötige Aufmerksamkeit, die erforderlich ist.

Wer hier lernt, seine Aufmerksamkeit bewusst zu steuern und seine Handlungsbereitschaft (Aktivierungsniveau) der Umgebung anzupassen, kann schneller und besser reagieren. Das sollte ganz bewusst trainiert werden.

Verhalten in (potenziell) bedrohlichen Situationen

Wer in eine Bedrohungssituation kommt, sollte vorher trainierte Verhaltensweisen an den Tag legen können, die seine Chancen, sich dem ohne Eskalation zu entziehen, steigern. Wesentlich dabei ist es, schnellstmöglich wegzukommen, ohne jedoch offensichtlich eine Flucht anzutreten und potenzielle Täter zu animieren.

Vielmehr geht es darum, unauffällig aus dem „Radar“, der Bedrohung zu verschwinden.

Beispiel:

Ein am Bahnhof von Kriminellen auserkorenes Opfer, entzieht sich dem der Straftat vorhergehenden „Interview“, durch eine überraschende aber plausible Aktion. Ein hektischer Blick auf die Uhr, ein entschiedener Richtungswechsel und ein immer wiederholter Spruch wie – ich bin zu spät – ich bin zu spät, kann überzeugend vorgetragen helfen, schnell zu verschwinden und die potenziellen Täter zu überraschen.

Gespräche sollten hier unbedingt vermieden werden, denn es gibt dem Gegenüber, die Möglichkeit seine Chancen und damit sein Opfer besser einzuschätzen. Darin sind Kriminelle besonders gut. Sie erkennen instinktiv, wie wehrhaft das Gegenüber ist und welche Risiken sie bei einem Übergriff selbst eingehen würden.

Deeskalation wird hier kaum funktionieren, schon gar nicht, wenn die andere Seite, daran gar nicht interessiert ist.

Garantien gibt es hier natürlich keine, aber wem es gelingt sich hier klug zu verhalten, hat noch eine Chance ohne Gewalt aus der Situation zu kommen. Wer mehr dazu wissen möchte, empfehle ich das Büchlein – Street Safety – meines Lehrers, des Sicherheitsexperten, Bernd Schubert.

Körperliche Selbstverteidigung – Notwehr

Haben alle Vorsichtsmaßnahmen und Strategien im Vorfeld versagt, bleibt dem Bedrohten oder schon Attackierten, nur mehr die Möglichkeit, sich körperlich zu wehren. In diesem Fall muss entschieden gehandelt werden, um die Lage schnellstmöglich zu klären. Flucht oder ein rechtskonformes Beenden der Bedrohung durch körperliche Gegenwehr, sind die einzigen verbleibenden Möglichkeiten.

Worauf dabei zu achten ist, sehen wir uns gleich an.

Wie verhalte ich mich rechtskonform in Notwehr?

Notwehr ist in der BRD im Strafgesetzbuch definiert:

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Um nach einer Verteidigungshandlung straffrei davonzukommen, muss eine Notwehrsituation tatsächlich vorgelegen sein und vor Gericht nachvollziehbar und glaubhaft, bewiesen bzw. argumentiert werden können. Die Notwehrhandlung darf nicht provoziert worden sein und eine Notwehrüberschreitung sollte ausgeschlossen oder sehr gut begründet werden können, um als Entschuldigungsgrund zu gelten.

Eine Anzeige wegen Körperverletzung selbst wird sich in vielen Fällen nicht verhindern lassen. Viel wesentlicher ist es aber vor Gericht freigesprochen zu werden.

Weitere Informationen dazu auf: kampfsport-versicherung.de

Glaubhaftmachung der Notwehrhandlung – Zeugen

Es ist also ganz wesentlich glaubhaft machen zu können, dass man in Notwehr gehandelt hat. Daran kann auch der, sich legal verhaltende Bürger, scheitern.

Aus diesem Grund ist es, sofern es die Situation erlaubt, auch für Umstehende klarzumachen, dass keine Aggression, vom Verteidiger, ausgeht.

  • Benutze offene Hände, statt Fäusten – beschwichtigende, nicht aggressive Körpersprache – für umstehende, potenzielle Zeugen, deutlich erkennbar – du willst keinen Streit!
  • Das Ballen der Fäuste und ein offenes Signalisieren von Kampfbereitschaft muss unbedingt vermieden werden. Es kann als Kampfaufforderung ausgelegt werden.
  • Verbal sollte die defensive, beschwichtigende Gestik und Mimik, ebenfalls begleitet werden. „Lassen Sie mich in Ruhe – ich will keinen Streit!“ Die deeskalierende Haltung, muss für den Aggressor und Zeugen, klar zu erkennen sein.
  • Ein demonstratives Zurückweichen, vor dem Aggressor, kann das Bemühen eine Konfrontation zu vermeiden, ebenfalls glaubhaft unterstreichen. Dieses Verhalten kann juristisch sinnvoll sein, taktisch aber durchaus auch kontraproduktiv, für den Verteidiger und so seine Chancen in einem möglichen Kampf verringern.

Den rechtswidrigen Angriff, entschlossen beenden

Notwehr ist auch dann schon gegeben, wenn ein rechtswidriger Angriff unmittelbar bevorsteht. Die Erfahrung zeigt, dass in vielen Fällen, derjenige, der als Erstes entschlossen zuschlägt, die körperliche Auseinandersetzung „gewinnt“.

Routinierte Schläger, verstehen es geschickt in eine gute Angriffsposition zu kommen und ihre Opfer mit einem überraschenden Schlag, dem sogenannten „Sucker Punch“ K.O. zu schlagen. In vielen Fällen findet ein Kampf gar nicht statt.

Aus diesem Grund, ist es äußerst wichtig, einen Aggressor, nicht in seine Schlagdistanz kommen zu lassen. In dieser Distanz ist es praktisch nicht mehr möglich, einen plötzlichen Angriff abzuwehren. Man wird mit großer Wahrscheinlichkeit zum Opfer.

Praktisch gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Ausweichen und die Distanz zum Aggressor halten. Seitlich wegzugehen oder schräg nach hinten, nicht gerade zurück, auf der Angriffslinie bleibend. Dieses Spiel lässt sich naturgemäß nicht unendlich oft wiederholen.
  2. Selbst aktiv werden, wenn der Aggressor die gesetzten Grenzen überschreitet. Situationsabhängig, kann das, wenn man es trainiert hat, durch Wegstoßen, als allerletzte Warnung oder durch eine, den Angriff beendende, Verteidigungshandlung geschehen.
  3. Je länger der Verteidiger zögert, umso größere Risiken geht er ein.

Ist ein Angriff bereits im Gange oder steht unmittelbar bevor, ist eine Notwehrhandlung gerechtfertigt. Wer hier zögert, geht enorme Risiken ein.

Im Idealfall gelingt es dem Verteidiger durch eine Aktion, meistens ein gezielter Schlag, den Angriff zu beenden. Geht vom Angreifer keine Gefahr mehr aus, ist die Notwehrhandlung zu beenden, sonst handelt es sich um eine Notwehrüberschreitung.

Grundsätzlich gilt, je mehr Schläge erforderlich sind, um sich erfolgreich zu wehren, umso riskanter wird es für den Verteidiger. Die Chancen, die Auseinandersetzung körperlich zu verlieren bzw. später juristische Probleme zu bekommen, steigen.

Keine Aussage ohne Anwalt

Im Falle einer Notwehrhandlung, so berechtigt sie auch gewesen sein mag, ist es immer ratsam einen Anwalt hinzuzuziehen. Oft belasten sich die Opfer unwissentlich selbst, indem sie unüberlegte oder missverständliche Äußerungen machen.

Niemand muss eine Aussage machen, wenn er sich dadurch selbst belastet oder belasten könnte. Im Zweifelsfall, hast du das Recht, die Aussage zu verweigern.

Fazit – Selbstverteidigung + juristisches Nachspiel bestehen

Zum Gesamtkonzept Selbstverteidigung gehört es, die Wahrscheinlichkeit und Notwehrsituationen zu kommen, so weit wie möglich zu reduzieren. Das ist jedem, unabhängig von seinem Alter, der körperlichen Konstitution und kämpferischen Fähigkeiten möglich.

Kommt es zu einer körperlichen Auseinandersetzung, spielen obige -, sowie unkalkulierbare Faktoren, wie Glück oder Pech, eine wesentliche Rolle.

Diese Situation sollte, so gut wie möglich, vermieden werden- trotzdem sollten man auch Zivilcourage zeigen wenn es wichtig ist. Ist ein Kampf unvermeidbar, muss aber absolut entschlossen gehandelt werden. Jedes Zögern bringt enorme Risiken mit sich.

Kampfsportarten bieten, neben auf Selbstverteidigung spezialisierten Systemen, eine gute Grundlage für die körperliche Selbstverteidigung. Man sollte allerdings die Stärken und Schwächen seiner Kampfkunst oder Kampfsportart gut kennen und die diesbezüglichen Defizite durch gezieltes Training kompensieren.

Viel Spaß beim Training!

Autor: Martin Unger ist Escrimalehrer in Graz und Schreibt auf seinem Blog – eleleu.de – über die Themen: Selbstverteidigung, Kampfsport, Kampfkunst und funktionelles Training für Kampfsportler. “

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